Ambulante Beatmungspflege - Gedanken eines Kunden
Dass man auch als Mensch mit Behinderung, der auf maschinelle Beatmung angewiesen ist, mit Freude und Neugierde ein weitestgehend selbstbestimmtes Leben in Bewegung führen kann, zeigt dieser Einblick in das Leben eines unserer Kunden.
Selbstbestimmt in Bewegung
Bewegung und Behinderung – das klingt zunächst wie ein Gegensatz. Behinderte Menschen wie ich werden heutzutage immer noch häufig als nur eingeschränkt bewegungsfähig oder sogar bewegungsunfähig wahrgenommen und behandelt. Was meine selbstständige körperliche Beweglichkeit angeht, stimmt dieser erste Eindruck auch. So kann ich meinen Körper aufgrund einer fortschreitenden Muskeldystrophie bis auf kleine Bewegungen der Augen, Finger und Füße kaum selbst bewegen und bin ständig auf ein Beatmungsgerät angewiesen.
Im Kopf und im Herzen bin ich aber trotzdem oder gerade deswegen sehr beweglich. Meine geistige Beweglichkeit zeigt sich u.a. daran, dass ich ein Universitätsstudium erfolgreich abgeschlossen habe und seit 15 Jahren in der Kommunalpolitik aktiv bin. Neuerdings mache ich auch Yoga, um mich innerlich weiterzuentwickeln. Dabei vollführe ich die Bewegungsübungen, die Andere körperlich umsetzen, in meiner Vorstellung. Es gibt sogar eine Form der Übung, die eigentlich nur innerlich praktiziert werden kann: die Meditation.
Auch was das Gefühlsleben betrifft, bin ich dauernd in Bewegung. So gibt es in meinem Leben viele wertvolle menschliche Beziehungen, ich bin immer neugierig auf andere Menschen und Eindrücke und träume trotz aller Hindernisse bei der Verwirklichung von einer Liebesbeziehung mit einer Frau.
Die innere Beweglichkeit macht es mir letztlich möglich, mit selbstorganisierter Unterstützung auch meinen Körper über die Grenze seiner Einschränkungen hinaus zu bewegen. So gibt es eine Reihe von technischen Hilfen, die mich beweglich machen: der Rollstuhl und der behindertengerechte Kleinbus zum ‚laufen’, der Computer mit Augensteuerung zum ‚schreiben’ usw. Daneben ‚mobilisieren’ mich meine Assistentinnen aufgrund einer fortschreitenden Muskeldystrophien und Assistenten, indem sie mich in den Rolli setzen oder mich in meinem Auto herumfahren. Selbst tanzen im Rollstuhl kann ich mit einer hochsensiblen Fingersteuerung, auch wenn Außenstehende meine Bewegungen nicht gleich bemerken.
Meine persönliche Beweglichkeit drückt sich in einer großen Reiselust aus. Und jede Reise beginnt zunächst einmal in der Vorstellung: Wohin soll es gehen? Wer soll mich begleiten? Wie organisiere ich alles? Erst nach der inneren Reise setze ich mich dann äußerlich in Bewegung. Welcher der beiden Teile mehr Spaß macht, ist dabei nicht von vornherein klar. Innerlich kann man sogar öfter und weiter reisen.
Mirko Dimastrogiovanni, 37 Jahre